03.04.2023

Wachstumsmarkt Experience Design

User Experience spielt in der heutigen digitalen Welt eine immer wichtigere Rolle – vor allem, wenn es um den Markterfolg eines Produkts geht. Nach 25 Jahren im UX-Projektmanagement ist es Zeit für eine Bestandsaufnahme: Wo steht UX heute? Welche Bedeutung hat UX zukünftig in Organisationen? Welchen Herausforderungen werden Unternehmen beim Aufbau professioneller UX-Kompetenzen begegnen? Wie wir die aktuelle Situation von UX in Deutschland einordnen und wie sich der zukünftige UX-Markt aus unserer Sicht entwickeln wird, haben wir für euch in unserer 3-teiligen Serie „UX in Deutschland“ zusammengestellt.

UID feiert in diesem Jahr 25-jähriges Jubiläum als führendes UX-Unternehmen im deutschsprachigen Raum. In den vergangenen 25 Jahren haben wir mit unseren Kund*innen Erfolge feiern können, aber auch wichtige Lektionen gelernt. Aus diesen 25 Jahren des Engagements ist die Initiative der Changitors entstanden, die mittlerweile fast ein Jahr erfolgreich aktiv ist. Unsere Changitor-Expert*innen begleiten und befähigen Organisationen dabei, Produkte und Services zu entwickeln, die Nutzende begeistern und erfolgreich am Markt sind!

Herausforderung kundenzentrierte Experience

In unserer Analyse blicken wir auf den aktuellen Stand von UX in Deutschland und welche Herausforderungen Unternehmen für die erfolgreiche Gestaltung einer kundenzentrierten Experience meistern müssen. Dabei beziehen wir auch Einblicke aus der sich stetig verändernden und wachsenden UX Community mit ein.

Für was steht UX heute?

War vor einigen Jahren noch die reine Funktionalität eines Produkts kaufentscheidend, wandelte sich der Markt mit der Zeit dahingehend, dass nun vielmehr die gesamte Experience zum Erfolg eines Produkts oder Services beiträgt. Dieser Wandel war zunächst im B2C, dann aber zunehmend auch im B2B-Bereich zu beobachten. So ist das Schlagwort Experience Design auch in der breiten Masse an Unternehmen der verschiedensten Branchen angekommen.

UX in Deutschland_Wachstumsmarkt Experience Design

Positive Kundenbeziehung gestalten

Mit gutem Experience Design antworten wir auf die kontinuierlichen Entwicklungen am Markt. Durch diesen zunehmenden Bedarf hat auch der allseits bekannte „Fachkräftemangel“ unsere Branche nicht verschont. Und das Wachstum ist nicht am Ende. Durch gesellschaftlichen und technologischen Wandel bleibt der Bedarf, Nutzende und Kund:innen zu begeistern und durch intuitive und effektiv nutzbare Tools zu unterstützen. Nur so kann langfristig eine positive Kundenbeziehung gestaltet werden.

Veränderte Anforderungen durch die Digitale Transformation

Der D21 Digital Index belegt das kontinuierliche Wachstum der Nutzung digitaler Medien. Mittlerweile besitzen knapp 90% der Deutschen ein Smartphone, mit dem die meisten auch das mobile Internet nutzen. Mit über 5 Millionen verfügbaren Anwendungen erweitern sich die Nutzungsfelder täglich. Viele traditionelle Service-Wege verändern sich und neue Technologien, wie die künstliche Intelligenz, verändern unser tägliches Leben. Diese Entwicklung hat Einfluss auf betriebliche und berufliche Tätigkeiten. Und die Erwartungshaltung der Mitarbeitenden an die beruflichen Anwendungen steigt. Jedoch trifft diese Veränderung nicht alle Zielgruppen gleichermaßen und lässt sie vom digitalen Wandel profitieren. Das ist Enttäuschung und Chance zugleich, denn es bedeutet auch, dass hier noch Märkte erschlossen werden können, wenn man ein dafür passendes Geschäftsmodell samt guter User Experience bieten kann.

Neue Handlungsfelder für UX

Der Gesamtumsatz mit Informationstechnik belief sich im Jahr 2021 in Deutschland auf über 100 Milliarden Euro. Seit 2009 ist er stetig gestiegen und ein weiterer Anstieg wurde auch für 2023 prognostiziert. Aufgrund dieses Potentials haben viele bekannte Marktforschungs- und Organisationsberater:innen das Experience Design für sich entdeckt und integrieren dies durch Erweiterung oder Zukauf in ihre Expertise. Diese Verschmelzung von organisationell-beraterischen und nutzerzentrierten Fähigkeiten lässt ein neues Berufsfeld entstehen.

Auf der anderen Seite sehen sich 83% der deutschen Unternehmen mit einem technologischen Wandel von nie da gewesenem Ausmaß und Tempo konfrontiert. Das setzt unter Druck, aber auch die Dringlichkeit für mehr Nachhaltigkeit oder mangelnde Ressourcen zwingen zum Handeln. Laut Accenture sind mittlerweile immerhin über 5% der Budgets von Unternehmen für Digitalisierungsthemen eingeplant.

Von Usability zur digitalen Experience

In den letzten 25 Jahren hat UX an Bedeutung gewonnen und das Produktmanagement oder der Head of IT muss meist nicht mehr vom Mehrwert digitaler Produkte und Services überzeugt werden. In vielen Firmen gehört UX zum fachlichen Standard einer jeden Produktentwicklung. Erlebnisfaktoren wie Komfort, Markenidentität, Selbstverwirklichung – die vollständige Experience, die man als Nutzende:r erlebt, ist stärker im Fokus.

Beim Automobil hat es rund 100 Jahre gedauert, bis das Erlebnis „Fahren“ verkauft wurde, statt 4 Räder mit einem Chassis. Ebenso verkaufen Firmen nicht mehr nur ein Küchengerät, sondern das Erlebnis Kochen – nur eines von vielen Beispielen. Die Aufgabe, aufwändige Anwendungen einfacher zu machen, ist hochkomplex. Die Anforderungen an digitale Produkte steigen und damit die Notwendigkeit, kompetente UX Professionals einzusetzen. Dies bringt neue Herausforderungen für Unternehmen, die ihre UX Teams zielgerichtet mit den richtigen Kompetenzen und Profilen besetzen wollen.

Wachstumsmarkt Experience Design

Der UX-Arbeitsmarkt im Wandel

Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung des Fachkräftemangels. Die Nachfrage nach UX Professionals ist hoch. Bei einer Recherche Ende Dezember 2022 hat StepStone 1.060 Angebote mit dem Stichwort „User Experience“ ausgegeben; mit den Stichworten „UX Research“ waren es 3.444 und mit „UX Entwicklung“ sogar 52.400. Diese steigende Nachfrage zeigt sich im Berufsfeld unter anderem auch an den Mitgliederzahlen des Berufsverbands UPA. Seit ihrer Gründung im Jahr 2002 sind die Mitgliederzahlen kontinuierlich auf aktuell über 1.700 gestiegen. Damit einher geht die zunehmende Professionalisierung und Standardisierung des Tätigkeitsfelds. Das äußert sich auch in diversen Zertifizierungen (z.B. UXQB, internationale UX Akkreditierung), die UX Professionals in Deutschland zur Verfügung stehen.

UX – Ein Teamsport

Das Kompetenzprofil von UX Professionals ist multidisziplinär geprägt. Vor 13 Jahren (2007) waren es im Branchen-Report noch 24% Psycholog*innen und 14% Informatiker*innen. Heute (2022) ist hier eine deutliche Streuung zu erkennen. Psychologie, Kommunikationsdesign, Information und Human-Computer-Interaction sind jeweils nur mit unter 10% vertreten und ähnlich verteilt. Im Feld der User Experience kommen viele Kompetenzen zusammen. Das ist geradezu ein Definitionskriterium der „Experiences“. In der ISO 9241-210 (2011) heißt es: „Mit der menschzentrierten Gestaltung befasste Teams müssen nicht groß sein; das Team sollte aber ausreichend vielfältig besetzt sein“. Es ist wichtig zu verstehen, dass Aufgaben rund um User Experience nicht von einer Einzelperson bewerkstelligt werden können.

Vielfältige UX-Studiengänge

Im Bereich der Hochschulen entstehen jährlich neue Ausbildungsmöglichkeiten. Jedoch unterscheiden sich die Curricula je nach Studiengang. Inzwischen gibt es dezidierte Studiengänge, die fähige UX Professionals hervorbringen. Viele davon sind bereits gut etabliert. Aus unserer Sicht sind diese Studiengänge nicht immer auf den tatsächlichen Bedarf am Markt zugeschnitten, sondern dienen häufig der Werbung um Studierende und der Differenzierung in deren Wahrnehmung. Unter zahlreichen sehr wertvollen Studiengängen gibt es auch jene, bei denen eher ein Zusammenwürfeln von Teilkompetenzen stattfindet. Dadurch ergeben sich sehr spezielle oder sehr breite Kompetenzprofile, die in der Praxis nur bedingt einsetzbar sind. Wichtig ist es daher, die Studienlandschaft zu kennen und die eigenen Bedürfnisse als Arbeitgeber zu verstehen.

Vielfältige UX Studiengänge

Das richtige UX-Team

Folgende Aspekte sollten Unternehmen beim Aufbau von UX-Kompetenzen im Blick haben:

UX-Zertifikate sind keine Garantie für qualifizierte Arbeitskräfte:

Zusätzlich zu der Ausbildungsleistung der Hochschulen haben Anbieter wie Career Foundry oder Coursera (Google UX Design) Angebote zur Ausbildung. In einem halbjährigen Kurs können deren Kund:innen dort ein Zertifikat erwerben. Diese Angebote locken zahlreiche Quereinsteigende an, denn die Anbietenden implizieren, dass jeder UX Design erlernen könne – auch ohne Vorkenntnisse. Nach unserer Erfahrung sehen die Bewerbungen solcher Arbeitskräfte auf den ersten Blick gut aus, sind aber hoch standardisiert und wenig aussagekräftig.

UX-Kompetenzen entlasten technische Aufgabenfelder:

In den regelmäßigen Umfragen des Berufsverbands zeigt sich auch, dass eine vor 15 Jahre noch klassisch zugekaufte Beratungsleistung zunehmend als eigene Expertise in den Unternehmen aufgebaut wird. Abgesehen von der strategischen Bedeutung von UX kann es für Unternehmen ein entscheidender Vorteil sein, UX in die eigene Organisation zu integrieren. Der viel diskutierte Fachkräftemangel macht den Unterschied. Indem Unternehmen Aufgaben zur Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen an Experience Designer:innen übergeben, entlasten sie technische Berufe.

Schnelle Einstellungszeiten, aber weniger Berufserfahrung bei Bewerber:innen:

Bei der Einstellung von UX Professionals sind die Vakanzzeiten mit 120 Tagen noch vergleichsweise niedrig (Quelle: UPA Branchenreport: Tretter et al., 2022), denn diese lagen laut Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2022 im Durchschnitt bei 145 Tagen (122 waren es noch in 2021lt. Bundesagentur für Arbeit, 2022)). Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass Unternehmen eher auf Fachkräfte mit weniger Berufserfahrung zurückgreifen müssen, was höhere Anforderungen an die Weiterbildung und Mitarbeiterführung stellt. Auf das Thema berufsbegleitende Weiterbildung gehen wir in Teil 2 unserer Analyse detaillierter ein.

Unternehmensspezifische Anforderungen an UX-Kompetenzen genau prüfen:

Für viele Arbeitgebende ist es auf den ersten Blick attraktiv, bei der Einstellung von UX Professionals möglichst vielseitige Mitarbeitende anzuwerben. Ein Full-Stack-Designer, der überall einsatzbar ist, scheint zunächst die einfachste Lösung zu sein. Aber Vorsicht, denn Breite geht zulasten von Tiefe. Die Design- und Innovationsberatung IDEO hatte vor einigen Jahren das Profil der „T-shaped designer“ befürwortet. Die Breite im Kompetenzprofil wird durch die horizontale Linie symbolisiert und die Tiefe durch die vertikale. IDEO betont, dass Breite zwar wichtig ist, aber jeder Professional im Bereich des Experience Designs ein Teilgebiet benötigt, in dem er herausragende Kompetenz und Erfahrung mitbringt. Das sei ein optimales Profil, um einerseits gute Teamarbeit zu ermöglichen und anderseits im eigenen Spezialgebiet Leistung auf hohem Niveau erbringen zu können. Allerdings hat nicht jede Organisation die gleichen Anforderungen wie IDEO. Es ist wichtig, die eigenen Anforderungen zu verstehen und sich dann gezielt für Bewerber:innen zu entscheiden. Auch dafür kann im Entscheidungsprozess Unterstützung von außen in Anspruch genommen werden und eine schrittweise Integration der Kompetenzen ins eigene Unternehmen gefördert werden.

Praxisbeispiel: Aufbau von UX-Kompetenzen im Unternehmen

Für einen mittelständischen Kunden im Maschinenbau haben wir im Laufe eines „Design Manager Coachings“ herausgefunden, dass der beste Ansatz für die UX-Integration zweigleisig und der Einsatz eines Full-Stack-Designers nicht zielführend ist. Für Konzeptarbeit und User Research lohnt es sich für unseren Kunden, in der Produktentwicklung eigene UX-Kompetenzen aufzubauen. Für den produktübergreifenden initialen Aufbau eines Designsystems und auch bei der langfristigen Unterstützung im Teilgebiet visueller Designkompetenzen werden sie weiterhin auf Dienstleistende zurückgreifen. Auf diese Weise entsteht die optimale Balance zwischen Eigenständigkeit, Kosten und Qualität.

UID Serie:
UX in Deutschland

Die Autor:innen

Lisa Reimer begleitet als Senior User Experience Consultant seit über 10 Jahren Kunden aus unterschiedlichen Branchen auf ihrem Weg von der Idee zum fertigen Produkt oder Service. Sie konzipiert und evaluiert dabei vor allem die passenden Nutzerschnittstellen. Zudem befähigt Sie als Teil des UID-Teams „Facilitating and Consulting“ die Projektteams zu innovativem und agilem Arbeiten. Dabei nutzt sie z.B. den co-kreativen Prozess LEGO® SERIOUS PLAY®, um neue Prozesse und Ideen zu fördern und die Zusammenarbeit inspirierend zu gestalten.

UX Consultant

Dr. Jan Seifert arbeitet als Lead User Experience bei UID. Er verfügt über umfassende Erfahrung in allen Phasen der menschenzentrierten Entwicklung. Je nach Projektanforderung führt der Diplom-Psychologe den Prozess selbst durch, leitet ihn an oder implementiert ihn. Seine Schwerpunkte liegen in den Branchen Enterprise, Industry und Automotive. Sein umfassendes Wissen und praktische Erfahrung gibt er in Vorträgen und Vorlesungen weiter. Er ist aktives Mitglied im Arbeitskreis User Research der German UPA, dem Berufsverband der deutschen Usability Professionals.

UX Experte Dr. Jan Seifert

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