„Gute Gestaltung verlangt eine intensive Diskussion“
Wir machen die Welt von morgen einfacher und ästhetischer. Diese Mission verfolgt Henrik Rieß, Creative Director bei UID. Er ist 2018 zum zweiten Mal Jurymitglied der UX Design Awards, der vom Internationalen Design Zentrum Berlin (IDZ) vergeben wird. Wir sprechen mit dem UX Designer und Technologie-Enthusiasten über beherzte Diskussionen, den Moment der Überraschung und den Einfluss von Design auf Gesellschaft und Zukunft.
Henrik, worauf legst Du bei den Einreichungen ein besonderes Augenmerk?
Als Teil der Jury honoriere ich Einreichungen, die das Leben von morgen bereichern und positiv prägen. Oft hinterfragen diese Produkte den Mehrwert bestehender Lösungen. Was bedeutet Autofahren in einer Welt, in der Autos kein Steuer mehr benötigen? Und was mache ich dann mit meiner gewonnen Zeit?
Besonders wichtig dabei: Brauchen Nutzerinnen und Nutzer meine Lösung überhaupt? Der Nutzungskontext ist entscheidend! Ein mit künstlicher Intelligenz gelenktes Leitsystem im Auto kann mir auf der Strecke Stuttgart-Berlin sechs Stunden Schlaf schenken. Im Kontext einer Lenkrakete bringt diese Technologie fatale Folgen mit sich.

Wer eine auszeichnungswürdige Idee einreicht, hat viele Fragen gestellt, ein relevantes Problem erkannt und bietet dafür eine adäquate technologische Lösung. Das verbessert den Status quo. Generische Varianten von ein- und derselben Idee finde ich langweilig.

Welche Ideen findest Du spannend?
Wir in der Jury wollen ein Visionsfeld aufspannen und zeigen, wie Design verschiedene Lebensbereiche weiterentwickeln kann. Die 2017 ausgezeichnete Online-Informationsplattform Infozeptgenerator beispielsweise trägt dazu bei, Antibiotika-Resistenzen zu verringern: Sie verbessert die Arzt-Patienten-Kommunikation über Sprachbarrieren hinweg. Das Produkt hat noch Potenzial in der weiteren Aufbereitung. Doch schon jetzt kann die bestehende Anwendung in der Gesundheitsaufklärung eingesetzt werden und die Verschreibung nicht notwendiger Antibiotika reduzieren. Damit leistet die Anwendung einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag, der aus einer Fragestellung im Design abgeleitet wurde.
Wie arbeitet die Jury? Wie muss man sich die Diskussion vorstellen?
Das IDZ besetzt die Jury mit unterschiedlichen Charakteren hinsichtlich Alter, Geschlecht und beruflicher Erfahrung. Deshalb bringt jedes Jurymitglied eine bestimmte Haltung, einen bestimmten Hintergrund mit ein. Denn gute Gestaltung verlangt eine intensive Diskussion.
Welche Akzente konntest Du innerhalb der Jury setzen?
Mir ist es wichtig, nicht nur perfekt ausgearbeitete Konzepte zu prämieren. Vorausblickende Anwendungen und visionäre Produkte und Services sollten ebenso berücksichtigt werden wie exzellente Gestaltung für das Jetzt. Aus diesem Grund hat das IDZ auch die neue Kategorie "UX Design Awards | Concept" ins Leben gerufen.

Was macht Dir an der Arbeit besonders Spaß?
Zum einen das leidenschaftliche Ringen darum, wirklich die beste Idee auszuzeichnen. In der Diskussion wird man zum Anwalt eines Produkts oder eines Services und tauscht sich darüber – gern auch mal sehr beherzt – mit den anderen Jurymitgliedern aus. Als Designer haben wir eine Verantwortung dafür, welche Ideen letztendlich realisiert werden sollen. Die UX Design Awards sollen diese in meinen Augen honorieren.
Zum anderen liebe ich den Moment der Überraschung, in welchem man eine gute Idee und den dahinter liegenden Arbeitsweg versteht. Das erfüllt mich mit Bewunderung und ich freue mich, den Einreichenden dies über unsere Arbeit in der Jury zu kommunizieren.
Wie beeinflussen sich die Juryarbeit und Deine Arbeit bei UID?
Neben meinem Faible für visionäre, originelle und auch witzige Ideen bewerte ich die Einreichungen natürlich aus meiner langjährigen Erfahrung mit Kunden. So kann ich das Potenzial einer Idee gut einschätzen, ebenso wie ihre Schwächen. Diese Meinung vertrete ich ebenfalls bei Kunden und merke zunehmend, wie Unternehmen in Zeiten des digitalen Wandels für einen Meinungsaustausch dankbar sind.

Henrik, wir danken Dir für das Interview und wünschen Dir viel Spaß bei den Jurysitzungen 2018.
Das Interview führte Marion Gottschling.
Quelle für alle Bilder: UX Design Awards

Henrik Rieß ist Creative Director bei UID, UX Designer und Technologie-Enthusiast. Sein Augenmerk liegt darauf, Produkt- und Serviceräume für jedermann verständlich und zugänglich zu gestalten. Daher bewegt sich seine Arbeit im Spannungsfeld zwischen klar definierten Produktanforderungen, den impliziten Bedürfnissen der Nutzer und der spielerischen Faszination, die zukünftige Technologien auf uns ausüben. Neben seiner Tätigkeit bei UID arbeitet Henrik Rieß als Lehrbeautragter für Interaction Design und Design Thinking an der BAU international Berlin sowie der Hochschule Magdeburg-Stendal. Seit 2017 ist er Jurymitglied der UX Design Awards.