22.09.2021

Mit Human Centered Design zum intuitiven und sicheren Medizinprodukt

Nach wie vor sind viele medizinische Zwischenfälle auf Fehler in der Bedienung zurückzuführen. Kein Wunder: Medizintechnik wird immer komplexer: Produkte und Prozesse werden digitalisiert, automatisiert und miteinander vernetzt. Big Data und neuste Technologie wie Robotik oder Augmented Reality kommen ins Spiel. Aber auch der Kontext der Bedienung ändert sich: Durch den Fachkräftemangel arbeiten viele Beschäftige am Limit. Produkte werden zudem nicht mehr nur von Fachpersonal, sondern auch von Laien bedient. Um diese steigende Komplexität beherrschen zu können, braucht es sichere und intuitive Bedienkonzepte. Diese müssen optimal auf die unterschiedlichen Zielgruppen und Nutzungskontexte zugeschnitten sein. Dabei hilft die menschzentrierte Gestaltung, das Human Centered Design. Welche Vorteile bietet dieses menschzentrierte Vorgehen? Wie genau könnt ihr es in der Medizinprodukte-Entwicklung umsetzen? Das erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Neben der Funktionalität spielt die Usability (Gebrauchstauglichkeit) eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Medizinprodukten oder Digital Health Services. Denn Usability garantiert, dass Nutzende ein Produkt oder digitalen Service sicher und effizient anwenden können. Die Norm IEC 62366 verpflichtet Medizinprodukte-Hersteller daher, Usability-Maßnahmen durchzuführen und normenkonform zu dokumentieren. Mit einer menschzentrierten Gestaltung erfüllt Ihr also die Anforderungen der IEC 62366. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum sich Human Centered Design für Euch auszahlt.

Vorteile des Human Centered Design

Wer Nutzende konsequent in die Entwicklung einbezieht, erhält Produkte, die deren Anforderungen zielgenau treffen. Das steigert die Akzeptanz der Produkte sowie die Kundenbindung – auch bei zunehmen heterogenen Zielgruppen. Mit nutzungsfreundlichen Produkten stärkt ihr die Marktposition eures Unternehmens und hebt euch positiv von euren Mitbewerbern ab. Produkte mit einer

hohen Usability sind optimal auf die Zielgruppe und die Nutzungsumgebung abgestimmt. So können die Nutzenden sie – trotz steigender Komplexität – auch unter Zeitdruck und in kritischen Situationen einfach und sicher bedienen. Eine intuitive Bedienung reduziert zudem den Aufwand für Schulungen und aufwändige Zusatzausbildungen.

Human Centered Design Process

Menschzentriert gestalten

Eine gute Usability und User Experience fällt weder vom Himmel noch lässt sie sich als Task im Pflichtenheft niederschreiben. Gute Usability und User Experience entsteht, indem ihr Nutzende konsequent von Anfang in die gesamte Entwicklung einbindet – von der ersten Idee bis zum finalen Launch. Die Norm DIN EN ISO 9241-210 beschreibt den menschzentrierten Gestaltungsprozess in vier Phasen. Diese durchlauft ihr so lange iterativ, bis ihr ein optimales Ergebnis erreicht.

Analyse als Grundstein

Produktideen und -konzepte sollten immer auf den konkreten Bedürfnissen der Nutzenden basieren. Daher startet die menschzentrierte Gestaltung mit der Analyse. In dieser Phase sammelt und analysiert ihr Fakten über eure Zielgruppe und den Nutzungskontext: Welche Ausbildung und Erfahrung besitzen die Nutzenden? Welche Aufgaben führen sie mit dem Produkt durch? Ist das Produkt im OP, Labor, im Rettungswagen oder bei den Patient:innen zuhause im Einsatz?

Bei unserem Projekt mit den Test-Experten von QIAGEN (mittlerweile DIALUNOX) beispielsweise waren sowohl der Nutzungskontext als auch die Zielgruppen sehr heterogen. Mit dem Schnelltestreader von QIAGEN lassen sich Flüssigkeiten auf unterschiedliche Eigenschaften testen – beispielsweise von einem Laboranten im Labor, aber auch von einem Polizisten auf Streife. Das erforderte ein stringentes Bedienkonzept, das auch Nutzende ohne medizinische Kenntnisse sicher und effizient durch den Testprozess führt.

Medizingerät

Anforderungen in Konzept und Design umsetzen

In der Konzeption werden aus Ideen und Anforderungen Bedienabläufe und Screenlayouts. Aufbauend auf typischen Nutzungsszenarien entwickelt Ihr Interaktions- und Designkonzepte und legt den Grundstein für eine einfache, effiziente und sichere Bedienung: Wie navigieren Nutzende mit dem Produkt? Wie lassen sich Inhalte und Funktionen strukturieren? Welche Screentypen gibt es? Wie sind diese aufgebaut? Diese und andere Fragen gilt es dabei zu klären. Wie ein nutzungsfreundliches Konzept aussehen kann, zeigen wir euch in der folgenden Bildgalerie am Beispiel von Swisstom.

Ideen greifbar machen

Macht Ideen für euer Medizinprodukt oder Digital Health Service mit Hilfe von Rapid Prototyping möglichst bereits früh erfahr- und greifbar. Je nach Entwicklungsphase können die Prototypen unterschiedlich detailliert und realitätsnah sein – von Low- (Papierprototypen) bis High-Fidelity (HTML-Prototyp). Mit Prototypen könnt ihr eure Ideen, Konzepte und Designs iterativ testen und verbessern. Durch frühzeitiges Feedback von Nutzenden könnt ihr euer Produkt gezielt optimieren. So stellt ihr sicher, dass es einen Mehrwert bietet und Nutzende gut damit zurechtkommen.

Prototyp

Feedback einholen

Überprüft kontinuierlich, ob eure Ideen, Konzepte und Designs den definierten Anforderungen entsprechen. Dafür hat sich der Usability Test als Goldstandard etabliert. Dabei lösen Nutzende typische Aufgaben mit dem Produkt oder Service. Das deckt Stärken und Schwächen auf und zeigt, wo ihr Bedienung und Design noch verbessern könnt. Mit Fragebögen wie dem AttrakDiff könnt ihr ergänzend herausfinden, wie die Nutzenden das Produkt und dessen Nutzung subjektiv empfunden haben.

Frau wendet Medizinprodukt an

Menschzentriert trotz Corona

Die menschenzentrierte Entwicklung stellt Menschen in den Mittelpunkt. Das muss aber nicht immer im direkten Face-to-Face-Test stattfinden. Je nach Projektphase und Produkt funktioniert dies auch wunderbar remote. Gut vorbereitet bietet das Remote-Setting auch Vorteile: Für die Teilnehmenden entsteht beispielsweise weniger Aufwand. Auch reduziert das gewohnte Umfeld die Nervosität. Aber spätestens bei der summativen Evaluation stößt Remote-Testing an seine Grenzen. Eine steigende Impfquote, Masken, Tests & Co sowie eine saubere Studienplanung machen aber auch diese wieder zunehmend möglich.

Der erste Schritt zum nutzungsfreundlichen Medizinprodukt

Mit dem Human Centered Design Process könnt ihr Nutzende optimal in die Entwicklung eurer Medizinprodukte oder Digital Health Services integrieren. Die menschzentrierte Gestaltung hilft euch, die Bedürfnisse eurer Zielgruppe besser zu verstehen und eure Produkte und Service darauf auszurichten. Du bist auf den Geschmack gekommen, weißt aber nicht, wie du starten sollst? Dann mach den ersten Schritt zu mehr Usability beispielsweise mit unserem Medical UX Review. Dank diesem erhalten Sie in kürzester Zeit erfolgsentscheidende Impulse für die Optimierung eures Medizinprodukts und die Sicherheit des Designs.

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