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Wie B2B-Unternehmen die Customer Experience verbessern

Durch die digitale Transformation gewinnt die Customer Experience (CX) zunehmend auch im B2B-Umfeld an Bedeutung. Im Bemühen um das optimale Kundenerlebnis hinken B2B-Unternehmen meist dem Consumer-Business hinterher. Doch lohnt sich B2C überhaupt als Vorbild? Nur bedingt, meint Dr. Jan Seifert von UID. In einem Interview erklärt der CX-Experte, warum und wie sich B2B-Unternehmen stattdessen besser auf eigene Stärken fokussieren sollten.

Erfolgreiche Unternehmen haben sich schon immer an den Bedürfnissen ihrer Kunden orientiert. Dennoch hat das Customer Experience Management in den letzten Jahren weiter an Bedeutung gewonnen. Warum?

Die Digitalisierung verändert das Informations- und Kaufverhalten grundlegend: Kunden können sich heute auf unzähligen digitalen Kanälen über ein Unternehmen, seine Leistungen und Produkte informieren. Dadurch eröffnen sich neue Möglichkeiten – sowohl für Unternehmen als auch für ihre Kunden. Um das für sich zu nutzen, müssen Unternehmen ihren Kunden entlang der gesamten Customer Journey ein positives Erlebnis ermöglichen – egal ob auf der Website, in Social Media, beim Gespräch mit dem Kundenservice oder einem Besuch vor Ort. Wichtige Schlüssel für mehr Kundenorientierung sind hierbei Big Data und Automatisierung. So lassen sich einzelne Maßnahmen personalisiert auf die Bedürfnisse der potenziellen Kunden abstimmen. Kunden werden so stets zum passenden Zeitpunkt am richtigen Touchpoint erreicht.

Insbesondere B2C-Unternehmen sind Vorreiter in Sachen Customer Experience. Kein Wunder, dass laut einer Studie* 81 % der Geschäftskunden sogar explizit eine Customer Experience wie im B2C-Bereich wünschen. Doch taugt B2C überhaupt als Vorbild für B2B-Unternehmen?

B2B-Unternehmen sind mit ganz anderen Voraussetzungen konfrontiert als im B2C-Bereich. Dessen sind sich die B2B-Unternehmen grundsätzlich erstmal bewusst. Wenn die Unternehmen jedoch über konkrete Lösungen fürs Customer Experience Management diskutieren, dann rückt das schnell in den Hintergrund. Meist ist hier der erste Impuls, B2C-Best-Practices zu kopieren. Dabei wird erstens unterschätzt, dass sich bestimmte Lösungen nicht einfach 1:1 übertragen lassen. Und zweitens berücksichtigen B2C-Lösungen die Stärken von B2B-Unternehmen nicht, teilweise unterminieren sie diese sogar.

Natürlich kann das Customer Experience Management von B2B-Unternehmen vom Consumer-Business lernen. Aber ees gilt, die eigene Situation zu reflektieren, seine Stärken zu analysieren und Selbstverständliches zu hinterfragen. Diese Hürde ist nicht zu unterschätzen.

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Worin genau siehst Du die Hauptunterschiede zwischen B2C und B2B? Was sind die Herausforderungen von B2B?

Andere Produkte und Leistungen, andere Kundenbeziehungen oder eine weitgehend ent-emotionalisierte Kauf- bzw. Investitionsentscheidung – die Unterschiede zwischen B2C und B2B sind vielfältig. Ein wesentlicher Unterschied: B2B-Unternehmen haben einen deutlich kleineren und differenzierteren Kundenstamm. Das spiegelt sich natürlich beim Thema „Daten“ wider: Das Customer Experience Management im Consumer-Umfeld ist berühmt für seine riesigen Datenschätze und für die damit verbundenen Research-Möglichkeiten. Google hat beispielsweise mal getestet, wie 41 unterschiedliche Blautöne auf die Nutzenden wirken. Mit der Zahl der Nutzenden und der Infrastruktur, die Google über Jahre aufgebaut hat, ist eine solche Studie schnell und kostengünstig machbar. Selbst wenn Blauton Nr.6 nur 0,1 % besser performt als Blauton Nr. 38, kann dies bei den Klick- und Umsatzzahlen von Google große Unterschiede machen. Solche Research-Ansätze haben wir im B2B-Umfeld noch nicht erlebt.

Wie im B2C gibt es nicht DEN Kunden, sondern viele verschiedene Zielgruppen mit unterschiedlichen Rollen, Interessen und Kompetenzen, Bedürfnisse, Customer Journeys etc. Um das Interesse zu wecken und zu erhalten, müssen Unternehmen diese individuell ansprechen. Anders als bei B2C fehlen im B2B-Umfeld jedoch meist die Datenmengen, um diese unterschiedlichen Interessengruppen identifizieren, segmentieren und adressieren zu können.

Wie sollen Unternehmen mit diesen unterschiedlichen Anforderungen umgehen?

B2B-Unternehmen haben vielfältige Quellen, um Informationen über ihre Kunden zu gewinnen. Sie nutzen diese jedoch meist nur unzureichend. Sie müssen den Austausch bzw. das Management von Wissen über die Kunden und Nutzenden in die DNA des Unternehmens integrieren. Die digitalen und analogen Kanäle müssten stärker als in B2C als Einheit gedacht werden. Dies erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise, die digitale und persönliche Kommunikation koordiniert und zu einem konsistenten Erlebnis zusammenfügt.

Also konkret: Was genau sollten B2B-Unternehmen tun, um ihre Customer Experience zu verbessern?

Zunächst sollten Unternehmen Customer Experience Management nicht als "reines" Marketing-Thema betrachten und dieses dort verorten. Das ist – aus meiner Sicht – auch bei vielen B2C-Unternehmen eine Fehlentwicklung. Für diese aber vorerst noch verschmerzbar. Für B2B wäre eine solche Herangehensweise jedoch fatal. Vielmehr müssen alle kundennahen Kompetenzen einbezogen werden – vom Marketing über Vertrieb, Service bis zum Produktmanagement und -Entwicklung. Gemeinsam gilt es, eine für das Unternehmen passende Customer Experience Strategie zu entwerfen. Diese sollte sich auf die oben genannten Stärken besinnen und sich diese bestmöglich zu Nutze machen. Das heißt nicht, dass zwangsweise alle Prozesse digitalisiert werden müssen. Analoge Prozesse haben ihre Berechtigung – dort, wo sie den Digitalen überlegen sind.

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Hast Du ein konkretes Beispiel, das zeigt, wann und warum Digitalisierung nicht immer sinnvoll ist?

Einer meiner Kunden ist sich bewusst, dass sein digitales Kernprodukt qualitativ einige Mängel hat. Diese nehmen natürlich auch dessen eigene Kunden wahr. Was jedoch bemerkenswert ist: Service und Vertrieb setzen fast ausschließlich auf zwischenmenschliche Kanäle und verschaffen den Kunden so ein komfortables „Luftpolster“. Zukünftig muss das Unternehmen sich digital besser aufstellen. Aber die persönlichen Beziehungen und die herausragende Service-Qualität verhindern, dass der Kundenstamm schnell wegbricht.

Solche persönlichen Kundenbeziehungen aufzubauen, ist schwierig. Aber genau das bringen viele B2B-Unternehmen schon mit. Eine Stärke, auf die sie aufbauen sollten. Denn zwischenmenschliche Kundenbeziehungen sind um ein Vielfaches robuster und schaffen Vertrauen. Digitale Beziehungen sind hingegen schnelllebig: Der Marktbegleiter ist nur einen Klick entfernt. Auf Unzufriedenheit und Frust in der Kundenbeziehung können Unternehmen schwerer und langsamer reagieren: Man nimmt ihn meist erst wahr, wenn der Kunde über lange Zeit nicht wiederkehrt.

Zwischenmenschliche Kundenbeziehungen sind daher eine hervorragende Informationsquelle. Für ein erfolgreiches Customer Experience Management müssen B2B-Unternehmen Wege finden, diese zu nutzen.

Hast Du im Gegenzug ein Beispiel eines B2B-Unternehmens, wie Customer Experience Management vorbildlich funktioniert?

Das Customer Experience Management steckt bei den meisten Mittelständlern noch in den Kinderschuhen – wenn nicht sogar im fötalen Stadium. Aber ich kenne zahlreiche Unternehmen, die auf ausgezeichnetem Kapital aufbauen können. Mit den richtigen Maßnahmen können sie große Entwicklungssprünge in Sachen Customer Experience machen.

Unser CX-Experte

Dr. Jan Seifert arbeitet als Lead User Experience bei der User Interface Design GmbH (UID). Er verfügt über umfassende Erfahrung in allen Phasen der menschenzentrierten Entwicklung. Je nach Projektanforderung führt der Diplom-Psychologe den Prozess selbst durch, leitet ihn an oder implementiert ihn. Seine Schwerpunkte liegen in den Branchen Enterprise, Industry und Automotive. Sein umfassendes Wissen und praktische Erfahrung gibt er in Vorträgen und Vorlesungen weiter. Er ist aktives Mitglied im Arbeitskreis User Research der German UPA, dem Berufsverband der deutschen Usability Professionals.

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Das Interview führte Juliane Markotschi.