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12-Punkte-Plan gegen Diabetes: Eine Einordnung aus UX-Sicht

Diabetes gilt als eine der Volkskrankheiten schlechthin. Daher stellt der Bundesverband der Medizintechnologie (BVMed) einen 12-Punkte-Plan für eine nationale Diabetes-Strategie vor. Mit dieser soll Diabetes effizienter und nachhaltiger behandelt und vorgebeugt werden. Einige dieser Punkte haben wir mit unserem Diabetes-Trendreport ebenfalls aufgegriffen. Daher wollen wir einen genauen Blick auf den 12-Punkte-Plan des BVMed werfen und aus UX-Sicht kommentieren.

Laut dem Gesundheitsbericht der Deutschen Diabetes Hilfe aus dem Jahre 2016* leiden mehr als 6,5 Millionen. Menschen in Deutschland an Diabetes mellitus. Die Erkrankung, Therapie und Folgekosten wie Arbeitsunfähigkeit oder Frühverrentung kosten das deutsche Gemeinwesen jährlich rund 37 Milliarden Euro. Um einerseits Gesundheits- und Sozialsysteme zu entlasten und andererseits das menschliche Leiden zu minimieren, definierte der BVMed einen 12-Punkte-Plan gegen Diabetes. Dieser umfasst 12 Strategien und Maßnahmen wie eine Diabetesvorsorge, Disease-Management-Programme oder ein Diabetesregister.** Einige der aus unserer Sicht besonders wichtige Punkte wollen wir herausgreifen und kommentieren.

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Der technologische Fortschritt und die Digitalisierung entwickeln sich in vielen Branchen rasant. Wenn man diese Geschwindigkeit mit der in der Medizintechnik vergleicht, wird deutlich, dass die Medizintechnik weit hinter ihrem Potenzial liegt.

Daher ist der grundsätzliche Ansatz des 12-Punkte-Plans des BVMed, die Diabetes-Therapie moderner, innovativer und ganzheitlicher anzugehen, ein sinnvoller Vorschlag. Denn nur das ermöglicht mehr Effizienz in der Entwicklung, der Therapie sowie der Prävention.

Interprofessionell versorgen

Der BVMed fordert unter anderem die interprofessionelle Kommunikation und Zusammenarbeit zu stärken. Als UX-Dienstleister mit häufigem Kontakt zu Patient*innen und Betroffenen können wir dem definitiv zustimmen. Nicht selten werden Leistungen, Produkte oder Ideen an uns herangetragen, die bei genauerem Hinsehen weit an Patient*innen vorbei entwickelt wurden. Hersteller schöpfen das Potenzial, das die interprofessionelle Kooperation zwischen Stakeholdern, medizinischem Fachpersonal, Patient*innen und IT-Team bietet, oft nicht aus. Sich in einem frühen Stadium der Entwicklung bereits mit allen Stakeholdern auszutauschen und die wichtige Rolle der Digitalisierung anzuerkennen, würde an vielen Stellen unnötig hohe Entwicklungskosten vermeiden und die Ergebnisse für Patient*innen deutlich verbessern.

Warum mehr Austausch wichtig ist

Eine Versorgung, die sich nicht an einzelnen Domänen orientiert, sondern Probleme und Herausforderungen ganzheitlich aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und löst, ist menschlich gesehen besser. Ökonomisch betrachtet verringert es die Entwicklungskosten und steigert die Zufriedenheit der Kund*innen. Dabei geht es nicht nur darum, Lösungen explizit auf die Patient*innen abzustimmen, sondern auch die Datenerfassung und -verwaltung des Versorgungsapparats zu vereinfachen.



Alltägliche Prozesse zu digitalisieren, macht Wissen für alle relevanten Domänen zugänglich. So steigert die verbesserte "innerklinische Vernetzung" die Effizienz. Ein Beispiel: Bei Patient*innen, die schlecht eingestellt sind, treten gehäuft Begleiterkrankungen auf. Um diese zu behandeln, müssen Diabetologie, Kardiologie, Nephrologie oder gar die Neurologie zusammenarbeiten. Eine verbesserte Vernetzung ermöglicht eine problemlose stationäre und auch ambulante Behandlung durch Fachärzt*innen. Dazu ist die elektronische Patientenakte bereits ein erstes wichtiges Schlüssel-Element.

Qualifikation stärken

Doch was ist nötig, um diese Wege zu gehen und die Versorgung von Diabetes-Patient*innen effizienter zu gestalten? Ein wichtiger Baustein wird ebenfalls im 12-Punkte-Plan adressiert: die Qualifikation. Unseres Erachtens muss die Qualifikation hinsichtlich technologiebasierter Diabetes-Therapie stärker in den Fokus rücken, damit digitale Lösungen sinnvoll eingesetzt werden können. In unseren Projekten kommt nötige technische Know-how oftmals zur Sprache; hier existieren offensichtlich Verbesserungspotenziale. Mit der besseren Qualifikation können zeitgemäße Diabetes-Technologien bedenkenlos Einzug in den Alltag eines*einer Jeden finden und das Selbstmanagement fördern.

Telemedizin verbessert Therapie

Neue Diabetes-Technologien ermöglichen es, deutlich mehr Daten zu nutzen und das Selbstmanagement individueller zu gestalten. Das erleichtert die Behandlung von Diabetes. Bisher nutzen Hersteller nur einen marginalen Teil der möglichen Daten. Aber "datenbasierte, informierte Kommunikation und telemedizinische Fernbehandlung" steigern die Gesundheitskompetenz sowie die Fähigkeit zum Selbstmanagement der Patient*innen. Das hilft, Gesundheitsrisiken zu reduzieren und die Zufriedenheit mit der Therapie und den Gesundheitszustand nachhaltig zu optimieren.**

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Hierbei kann Telemedizin teilweise gänzlich ausreichend sein, um proaktiv und zeitnah auf Veränderungen der Vitalwerte zu reagieren. Nicht zwingend erforderliche Termine bei Ärzt*innen können so entfallen. Damit würde der ohnehin überfüllte Terminplan von Ärzt*innen etwas Entspannung erfahren. Ihnen bleibt so mehr Zeit für andere Patient*innen, deren Therapie-Erfolg sich dadurch verbessert.

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Zugang zu technischen Innovationen

Es braucht zudem Prozesse und Verfahren, die zu diesen Weiterentwicklungen passen und den Zugang zu Innovationen ermöglichen. Der BVMed fordert ein verlässliches, verbindliches und transparentes Verfahren bei der Aufnahme von Produkten in den Erstattungskatalog. Dem können wir nur zustimmen: Aktuell sind Prüf- und Antragsprozesse bezüglich der Hilfsmittelversorgung stark produktorientiert. Digitale Hilfsmittel lassen sich hier nicht richtig einordnen. So ist eine Zuordnung von Software zu den bestehenden Produktkategorien oft problematisch. Deshalb braucht es eine Aktualisierung, um den Zugang zu Innovationen durch die Aufnahme digitaler Lösungen in das Hilfsmittelverzeichnis zu gewähren.

Fazit

Insgesamt ist der 12-Punkte-Plan des BVMed ein wichtiger und hilfreicher Vorschlag, um die Diabetes-Therapie langfristig und nachhaltig deutlich zu verbessern. Die holistische Betrachtung und konkrete Beschreibung der gewünschten Maßnahmen sind aus unserer Sicht nachvollziehbar und wichtig. Nichtsdestoweniger müssen die 12 Ziele weiter konkretisiert werden: Wie genau sieht der Weg aus, um diese Ziele zu erreichen? Welche Stakeholder braucht es dafür? Wie lässt sich der Erfolg messen? In welchem Zeitraum sollen die Ziele erreicht werden? Klar ist jedoch: Die Digitalisierung bietet noch viele Potenziale, um das Leben von Diabetiker*innen zu erleichtern.

Der Autor

Yasin Demiraslan ist Senior Manager Strategic Marketing bei der User Interface Design GmbH (UID). In dieser Funktion steuert er das strategische Marketing bei UID und optimiert er die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen. Darüber hinaus betreut er UID-Kunden vorwiegend aus dem nord- und mitteldeutschen Raum. Yasin Demiraslan absolvierte er ein Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Unternehmensführung und Innovationsmanagement an der TU Dortmund.