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Smart Home – das vernetzte Zuhause zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Ob "Hausautomation", "Haussteuerung"oder "Smart Home" – als wiederkehrendes Buzzword existiert das Konzept des intelligenten Hauses seit über 30 Jahren. Jetzt soll es – mal wieder – kurz vor dem Durchbruch stehen. Seinen Bewohnern verspricht das smarte Heim viel: Komfort, Energieeffizienz und eine gesteigerte Lebensqualität beigleichzeitig hoher Wirtschaftlichkeit. Hält es, was es verspricht? Und: Welche Rolle spielen positive Nutzererlebnisse bei der Akzeptanz dieser Lösungen?

Nach Waschmaschine, Staubsauger und Co. setzt sich der Trend der Automatisierung im Haushalt mit Smart Homes weiter fort. Glaubt man den Studien verschiedener Wirtschaftsforschungsinstitutionen, wächst der globale Markt für Smart-Home-Lösungen bis 2020 um bis zu 1000 Prozent (Botthof et al., 2016, p. 7). Das enorme Marktpotenzial ist vor allem auf die große Zahl an Privatpersonen zurückzuführen, die zu der Hauptzielgruppe von Smart-Home-Systemen zählen. Doch welchen Mehrwert bieten Smart Homes den rund 40 Millionen Privathaushalten in Deutschland?

Eierlegende Wollmilchsau

Klassische Verkaufsargumente für Smart-Home-Technologien zielenauf eine steigende Energieeffizienz, mehr Komfort, Lifestyle, Unterhaltung und Sicherheit ab. Daneben spielen auch Gesundheitsaspekte eine Rolle. Inzwischen existieren etwa technische Lösungen, die den Gesundheits- zustand von Bewohnern ermitteln undpassende Gesundheitsmaßnahmen anbieten. Tatsächlich soll das intelligente Zuhause sogar die Probleme des demographischen Wandels lösen: Indem ältereMenschen in ihrem Wohnumfeld durch Assistenzsysteme unterstützt werden,können sie so lange wie möglich selbstständig in den eigenen vier Wänden leben.

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Funktionsprinzip

Im Wesentlichen bestehen Smart-Home-Systeme aus zwei Komponenten: Einerseits aus Sensoren, die Zustände im oder im weiteren Kontext des Haushalts messen, andererseits aus Aktoren, die auf Basis der erhobenen Daten Aktionen starten. Intelligenz besteht vor allem darin, dass Sensoren und Aktoren mit Wenn-Dann-Regeln verknüpft sind. So schalten sich Lichter (Aktoren) an, wenn der Bewegungssensor Bewegungen registriert (Sensor). Die Jalousien schließen sich, wenn es dunkel wird. Und so weiter. Auf diese Weise lassen sich auch komplexere Szenarien – beispielsweise die tägliche Morgenroutine aus Jalousien öffnen, Heizung hochfahren und Kaffee kochen – vollautomatisch steuern.

Wo bleibt der Nutzer?

Nach wie vor sind Smart-Home-Systeme also stark technologiegetrieben. Im Fokus stehen die technische Mach- und Automatisierbarkeit von Alltagsaufgaben. Der Nutzer und das Nutzungserlebnis dieser technischen Lösungen sind eher nebensächlich. Da wundert es nicht, dass potenzielle Nutzer Smart-Home-Lösungen bisher wenig akzeptieren. Die Skepsis ist vor allem auf vier zentrale Probleme zurückzuführen (Jakobi et al., 2016):

Unübersichtlicher Markt

Auf dem riesigen Smart-Home-Markt finden sich insbesondere Technik-Laien schwer zurecht. Potenziellen Kunden bleibt meist unklar, welche Geräte und Komponenten zum jeweiligen Bedarf passen und wie man sie richtig kombiniert.

Komplexe Installation

Viele Smart-Home-Komponenten sind mittlerweile auch für Hobbyhandwerker im Baumarkt erhältlich. Allerdings lassen sie sich ohne professionelle Hilfe nur schwer installieren und konfigurieren.

Mangelnde Usability

Smart-Home-Systeme sind in der Regel nicht sehr benutzerfreundlich: Um beispielsweise für gemütliches Licht zu sorgen, muss man erst das Smartphone suchen, die passende App starten und richtig bedienen. Zudem wird längst nicht jeder Bedarf von Smart-Home-Systemen abgedeckt. So liegen etwa historische Daten zum Stromverbrauch gar nicht oder nur in wenig nutzerfreundlicher Darstellung vor.

Fehlende Flexibilität

Häufig entwickeln sich Ideen für Smart-Home-Funktionen, wenn das System bereits im Einsatz ist. Neue Komponenten nachträglich zu integrieren, ist allerdings schwierig, da Geräte, Services und Software verschiedener Hersteller oft nicht kompatibel sind.

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Mythos Routine

Smart Homes folgen dem Ideal der Automatisierbarkeit von Haushalten. Das fußt auf der Annahme, dass Personen im Haushalt wiederkehrenden Routinen folgen. Oberflächlich betrachtet, mag das sogar stimmen: Wir stehen jeden Morgen auf, frühstücken, machen uns auf den Weg zur Arbeit oder Schule, kehren abends heim, essen, schauen fern oder surfen im Internet und gehen schließlich ins Bett. Kleine Abweichungen von dieser Prozedur gibt es vielleicht am Wochenende. So die Theorie.

Tatsächlich müssen verschiedene Personen im gleichen Haushalt morgens zu unterschiedlichen Zeiten los und stehen daher vielleicht auch nicht gleichzeitig auf. An einem Tag gibt es einen frühen Arzttermin, am anderen gibt es einen Tag frei. Die Schule beginnt im Laufe der Woche zu unterschiedlichen Zeiten. Kurzum: Die Annahme konsistenter Routinen ist eine Illusion. Zudem entstehen Routinen aus Lebensumständen und verändern sich mit der Zeit wieder.

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Automatisierung: Fluch oder Segen?

Tatsächlich glauben viele potenzielle Nutzer, dass Smart Homes nicht mit dem eigenen Lebensstil zu vereinen sind. Vor allem den hohen Automatisierungsgrad empfinden sie als problematisch: Einerseits fürchten sie, mit der Zeit bequem zu werden. Andererseits sind viele Alltags- aufgaben – etwa das Zubereiten eines gemütlichen Abendessens für die Familie – mit positiven Emotionen verknüpft. Solche Aktivitäten stärken die familiäre Verbundenheit und prägen das Rollenverständnis eines "guten" Elternteils. Zu viel Automatisierung kann derart positive Erlebnisse verhindern. Das zeigten die UX-Forscher Hassenzahl und Klapperich am Beispiel des Kaffeekochens.

Je nachdem, ob man Kaffee manuell aufbrüht oder eine Padmaschine verwendet, ergeben sich andere Nutzungserlebnisse. Zwar wird der Kaffee mit der Padmaschine deutlich schneller fertig, dennoch verkommt das Kaffeekochen damit meist zu einem negativ empfundenen Warteerlebnis. Hingegen erlebt der Nutzer das manuelle Kaffeekochen deutlich intensiver und positiver, weil jeder bewältigte Schritt zu einem Erfolgserlebnis wird. Unter Zeitdruck wird der schnelle Weg zum Kaffee bevorzugt werden. Dann geht es aber auch nicht um das positive Erleben, sondern um effizientes Handeln. Beide Szenarien gilt es zu berücksichtigen und dafür geeignete Strategien zu gestalten.

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To Do: Mehr Home, weniger Automation

Smart-Home-Technologien haben in puncto Usability und User Experience reichlich Nachholbedarf. Um das Versprechen von mehr Komfort und Lebensqualität einhalten zu können, müssen diese Systeme gebrauchstauglicher werden, also von den Nutzern einfach zu verwenden und konfigurieren, aber auch nützlich und erweiterbar sein. Dazu müssen Nutzerbedürfnisse erkannt und optimal umgesetzt werden. Beim Entwickeln von Smart-Home-Produkten sind weiterhin kreative Ideen gefragt. Ein Zuhause ist mehr als die Summe der täglichen Haushaltsaufgaben. Entsprechend braucht es Smart-Home-Produkte, die Haushalte nicht nur entlasten, sondern ihre Bewohner bei Ritualen unterstützen und für positive Erlebnisse mit Familie, Freunden und Bekannten sorgen. Denkbar wäre etwa ein Dinnerparty-Szenario, bei dem die Küche selbst stimmungsvolle Musik abspielt, Schnappschüsse der Gäste macht oder Erinnerungsfotos vergangener Feste zeigt. Dem einzelnen Hobbykoch könnte die smarte Küche dabei helfen, seine Leidenschaft für neue Zutaten und Geschmackskombinationen auszuleben - beispielsweise indem sie ihm interessante Variationen seiner Lieblingsgerichte vorschlägt.

Der Autor Michael Burmester

Der Autor

Prof. Dr. Michael Burmester ist Principal Scientific Advisor bei UID. Von 2002 bis Dezember 2010 war er Berater Research and Innovation bei UID. Seit 2002 ist Dr. Michael Burmester Professor für Ergonomie und Usability im Studiengang Informationsdesign an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart. Er forscht zu Methoden des Usability Engineering und der User Experience sowie zu den Themenfeldern Human-Robot Interaction, interaktive Informationsgrafiken und Informationsunterstützung für Passagiere. Zudem leitet er seit 2005 den Forschungsschwerpunkt User Experience Research am Institute of Information Design Research (IIDR) der HdM.